Fetisch Uniform

Interview mit Susanne, einer Hamburger Uniformfetischistin, über ihr ungewöhnliche sexuelle Vorliebe. Susanne ist Mitarbeiterin der aufklärerischen Webseite Klartextsm.

Ganz grundsätzlich gefragt: Wie würdest Du den sinnlichen und sexuellen Reiz militärischer Uniformen definieren?

Die sinnlich-stimulierenden Reize einer Uniform liegen meiner Ansicht nach in dem Umstand, daß eine Uniform erlaubt, bis zu einem gewissen Grad in eine Rolle zu schlüpfen und im Rahmen des Rollenspiels eine andere Identität anzunehmen. Gerade militärische Uniformen, aber auch z. B. Polizeiuniformen oder sonstige Kampfanzüge, die mit dem Normalberuf und Outfit des "Trägers" nichts zu tun haben, bereichern diesen Impuls. Ein starker sexueller Reiz geht mit Sicherheit auch schlicht davon aus, daß wenn auch unterschwellig, eine Uniform immer auch etwas darstellt, das im eigenen Kontext Macht und Gewalt beinhaltet (denn normalerweise würde eine Uniform ja in der Übung oder einer aktiven Kampfhandlung getragen werden, das ist der eigentliche und ursprüngliche Sinn und genau danach sehen sie auch aus). Zum anderen ist es sehr reizvoll, sich selbst mitunter sehr vorteilhaft in einer Uniform zu präsentieren, somit wird die eigene erotische Ausstrahlung zum inspirativen Reiz.

Wie bzw. in welchem Rahmen wird Uniformfetischismus ausgelebt?

Bei mir persönlich wird der Uniformfetischismus im wesentlichen im Rahmen privater (Flag-)Sessions ausgelebt. Ansonsten natürlich mitunter beim Ausgehen, das kommt aber auf das Umfeld des geplanten Abends an (also wo, mit welchen Leuten, wie ist das restliche Publikum, etc.) Insgesamt bin ich eher vorsichtig mit öffentlicher Eigenpräsentation in Uniform.
Generell gibt es aber kaum Grenzen, das kann von ebenso privaten Uniform-Sessions, die zeitlich
befristet laufen bis hin zu täglicher Beschäftigung und Auseinandersetzung mit diesem Fetisch.

Gibt es spezielle Clubs, in denen ein Schwerpunkt auf Uniformen gelegt wird?

Das geht mit Frage 2 mehr oder minder einher. So unangenehm mir die Antwort auch ist: mir ist in Hamburg kein Club bekannt, in dem Uniformen schwerpunktmäßig an der Tages- resp. Nachtordnung wären. In den SM-Clubs oder auch im Bereich Goth/Electro/EBM sind vereinzelt Uniformen auszumachen, stellen aber die Ausnahmen dar.
Also wird Uniformfetischismus - spekulativ gesprochen - nicht nur von mir, sondern auch von anderen überwiegend im privaten Bereich ausgelebt. Falls in Hamburg doch eine Uniform-Szene existent sein sollte, bitte melden! (grins)
Andererseits hat es auch ungeheuer viel für sich, daß sich die Szenen und auch die Outfits zunehmend mischen (bzw. dies seit einigen Jahren zögerlich tun) und es eben nicht automatisch in sich geschlossene "Unter-Szenen" gibt, die sich mittelfristig dadurch selbst "totlaufen" könnten.

Wie unterscheiden sich hetero- und homosexuelle SM-Szene im Umgang mit Uniformen?

Meiner Meinung nach geht die Gay-Szene deutlich unverkrampfter mit dem Thema "Uniformfetischismus" um, was die bildliche und textliche Darstellung betrifft. Was Uniformen in Gay-Clubs angeht, bin ich leider überfragt.
In den meisten SM-Clubs tauchen relativ wenig militärische Uniformen auf, überhaupt zeigen sich mittlerweile die Leute entschieden weniger "verkleidungsfreudig".

Spielfilm DER NACHTPORTIER

Gibt es im Ausland einen anderen Umgang mit Uniformfetischen als in Deutschland?

Die Einstellung zu einer Uniform im Zusammenhang mit gesundem Patriotismus ist in anderen Ländern deutlich lockerer. Aufgrund der jüngeren deutschen Geschichte wird entweder ein übersteigerter Nationalstolz in die Uniform transportiert (von der rechten Szene), während die Kehrseite der Medaille regelrechtes Anpöbeln in der Öffentlichkeit des Trägers bedeuten kann. In osteuropäischen Ländern ist es absolut unbedeutend, wenn jemand in Uniform in der Straßenbahn sitzt. Vor diesen Hintergrund wird (zumindest im osteuropäischen Raum) ein Uniformfetisch erst bei viel höherer Toleranzgrenze als Fetisch überhaupt "erkannt" und im Gegenzug zu manch anderer Fetischleidenschaft eher toleriert. Sicherlich gibt es aber auch andere, intolerantere Momente in anderen Ländern - wieder spekulativ gesprochen - mitunter abhängig von der aktuellen politischen Stimmung resp. Parteien untereinander.

Wie ist die Gesetzeslage was das Tragen von Uniformen in der (eingeschränkten) Öffentlichkeit betrifft?

Es ist meins Wissens nach grundsätzlich verboten, Uniformen außerhalb des zugewiesenen Berufsumfeldes zu tragen. Sei es eine militärische Uniform, die eigentlich nur innerhalb der Kaserne, dem Weg zur oder von der Arbeit oder in Sondereinsätzen getragen werden darf, eine Polizeiuniform, die auch nicht im privaten Umfeld getragen werden sollte (da hier der Vorwurf des Amtsmißbrauchs entstehen könnte) oder auch die Berufskleidung z. B. der Lufthansa, die auch nicht privat getragen und/oder sogar fotografiert werden darf. Im großen und ganzen wird dieses Verbot natürlich nicht eins zu eins umgesetzt, d. h. wenn ein Soldat in seiner Uniform heiraten möchte und im Konvoi zur Kirche fährt, wird ihn niemand anhalten und daran erinnern, daß er eigentlich etwas ungesetzliches tut. So wird sich auch niemand ernsthaft beschweren, wenn jemand in einer waschechten Uniform inklusive Namensschild auf einer S/M-Party auftaucht. Aber man sollte es natürlich nicht übertreiben. Das Zeigen von Rangabzeichen, militärischen Zusatzorden (selbst banales wie der Heeresmarsch) etc. ist ebenfalls verboten, da es ja Bestandteile der Uniform sind. Daher werden auch oft neutrale Uniformen verwendet (z. B. in der Werbung würde nie eine richtige Marine-Uniform gezeigt, stattdessen diese "Popeye-Version"). Es wird meines Wissens nach aber ähnlich gehandhabt, ein Uniformierter auf einer Party wird keine Probleme bekommen. Etwas anders sieht es mit Uniformen aus der Zeit des Dritten Reiches aus: sowohl Uniformbestandteile als auch Rangabzeichen und sonstige Insignien sind meines Wissens nach in der Öffentlichkeit verboten.

Welche Rolle spielen Waffen im Kontext der militärischen Rollenspiels?

Für mich persönlich spielen Waffen eine große Rolle, da ihre ungeheure Macht und brutale Ausstrahlung enorm stimulierend auf mich wirken. Ich muß jedoch ganz klar dazu sagen, daß ich zwar den Anblick einer glänzenden Handwaffe genieße, nicht jedoch zu dieser Sorte Mensch gehöre, die deshalb ein Riesensortiment an scharfen Waffen an der Wand hängen haben. Gerade dann, wenn in ein Spiel miteinander eine echte Waffe eingebracht wird, sollte sehr vorsichtig und verantwortungsbewußt damit umgegangen werden. Meiner Meinung nach haben echte teil- oder sogar durchgeladene Schusswaffen im Spiel nichts verloren. Mit Waffenbesitz und -benutzung geht eine umfangreiche Schulung und großes Verantwortungsbewußtsein einher (auch wenn sich die rechtliche Lage erst seit dem Massaker in Erfurt geändert hat) und die Risiken, daß im Spiel irgendwas passiert, ist einfach zu groß. Ehrlich gesagt, niemand, der über echte Waffen verfügt, wird so kindisch handeln und eine echte Schusswaffe in ein Rollenspiel einbringen. Selbst beim arglosen Winken haben sich schon Kugeln gelöst ...
Sollten Drohungen mit Waffengebrauch in welcher Form auch immer ein unverzichtbarer Teil des Spiels in Uniform sein, dann sollte auf Attrappen ausgewichen werden. Der Umgang mit S/M erfordert bereits Verantwortungsbewußtsein und Rücksicht auf den Partner, dieses Verantwortungsbewußtsein sollte auf alle Fälle auch ein Bestandteil im Bereich der ausgesuchten "Werkzeuge" sein. Übrigens, entgegen einer weit verbreiteten Meinung kann man aus nächster Nähe auch mit einer Schreckschusspistole jemanden töten und ernsthaft verletzen. Wenn es die Möglichkeit gibt, an original Material zu kommen, können genausogut "abgeschossene" Patronen verwendet werden, mit denen wiederum durchgeladen werden kann. Schnittwaffen wie Messer, Schwerter, Dolche, Säbel, Piken usw. in mannifaltiger Auswahl und Reichtum sind natürlich mit Vorsicht und Verantwortung zu benutzen.

Wie ist die spezielle Attraktivität der nationalsozialistischen Uniformen zu erklären, die vor allem in England und Amerika in SM-Clubs auftauchen?

Hm, in meinem Bekanntenkreis befinden sich viele deutsche Soldaten, die von gemischten Manövern berichteten, in denen die amerikanischen Kollegen irrsinnig auf Bilder mit deutschen Soldaten und Uniformen aus waren. Nach wie vor scheint das deutsche Militär einen sehr guten Ruf als "schwer besiegbar" in den Staaten zu haben.
Zum einen muß man zugeben, daß die Uniformen wirklich nicht schlecht aussahen und es spielt sicherlich auch eine sehr große Rolle, daß schlichtweg provoziert werden soll. Derzeit boomen ja auch wieder Kriegsfilme wie "Der Soldat James Ryan", in denen die toughe deutsche Armee besiegt wird, das geht so ein bißchen über den Rahmen Uniformfetischismus hinaus und soll auch eine politische resp. soziale Aussage des Trägers haben. Ob da wirklich immer eine gründliche Recherche seitens des Trägers erfolgt ist oder nur im großen und ganzen halt "deutsch" ausgesehen werden soll aus reiner Provokation, halte ich für fraglich.

SS-Mütze bei der Punkband Turbonegro (gefunden im WOM-Journal Juni 2005)

Sind nicht gerade die tabusierten und (in Deutschland) verbotenen Symbole (Totenkopf, Runen) von besonderem sexuellem Reiz, das sie bereits per se eine Transgression ermöglichen?

Leider kann ich diese Frage nicht beantworten, da mir persönlich bislang die Symbole nur im Zusammenhang mit ideologisch neo-nationalsozialistisch begegnet sind. Ob und wer im Zusammenhang mit einem Fetisch für Nazi-Uniformen auch die Insignien trägt und daraus einen sexuellen Reiz erfährt, ist mir leider nicht bekannt. Auch in der Literatur sind sie ausschließlich in politischem Kontext zu sehen, ob sie überhaupt Eingang in die S/M-Szene oder eine separate Uniformszene (sofern existent) gefunden haben, weiß ich nicht.

Welchen Stellenwert haben Naziunformen in der hiesigen SM-Szene und wie wird damit umgegangen?

Wenn man welche sieht, wird eher tolerant damit umgegangen und anscheinend auch nicht erkannt. Wie gesagt, es kommt überhaupt selten vor, daß jemand in Uniform oder Uniformteilen zu SM-Veranstaltungen erscheint. Während der letzten 2 Jahre ist es nur einmal vorgekommen, daß mir jemand mit einem Uniformteil einer SA-Uniform unter die Augen kam, die restlichen Gäste nahmen von der Erscheinung keine Notiz. Diese Toleranz ist natürlich positiv, denn es wäre schizophren, selbst gesammelt als Szene Toleranz zu propagieren und dann nicht auszuleben. Im großen und ganzen scheinen aber Nazi-Uniformen keinen großen Stellenwert zu haben und nicht viele Liebhaber trauen sich damit in die Öffentlichkeit...

Einige Bands aus dem Bereich der Punk-, Gothic- und Industrialmusik tragen miltärische Uniformen bei ihren Bühnenerformances: Marilyn Manson, Death in June, David Bowie, Laibach, Turbonegro, NON, Der Blutharsch etc. Hat deren Image und Auftreten einen Einfluss auf die SM-Szene?

Bei den meisten handelt es sich um Phantasieuniformen, auch Depeche Mode und andere Electro-Acts haben sich dieser Optik schon bedient. Die eingangs erwähnte macht- und gewalttätige Ausstrahlung einer Uniform ist natürlich ein zusätzlicher Effekt der Bühnenshow und wirkt mit Nachdruck auf Leute, denen Uniformen ohnehin sehr gut gefallen. Das martialische Erscheinungsbild mancher Musiker hat sicherlich auch Einfluss auf die Kleiderordnung der SM-Szene und somit auch die Identifikation der Zuhörer/Fans, man muß sich allein mal die Auslagen mancher Fachgeschäfte angucken.. Zumal sich diese Szenen ja auch ein bißchen "mischen", wird der Uniformgedanke weitergetragen. Schwieriger wird es, wenn durch das Publikum die Gefahr bestünde, daß Veranstaltungen systematisch von bestimmten politischen Szenen unterwandert würden oder sich die Hörerschaft nur noch aus einer bestimmten Szene zusammensetzte.

Wie kann ein Uniformfetischist mit dem Vorurteil umgehen, seine Vorliebe ließe auf totalitäre Gesinnung schließen?

Die einfachste Möglichkeit ist immer, direkt zu reden. Wenn man selbst in Uniform steckt und mißbilligende Blicke auf einer Party empfängt, würde ich persönlich den/diejenige darauf ansprechen. Wird man nun unterwegs irgendwo angepöbelt, bringt reden und diskutieren natürlich nichts. Im Zweifelsfall würde ich vorher den Club anrufen und nachhören, wie das bislang aufgenommen wurde, wenn jemand in Uniform aufgetaucht ist und danach entscheiden, ob und wie ein netter Abend verbracht werden kann.
Eine weitere Möglichkeit, dem Vorurteil den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist eben, sich öffentlich zwar zu seiner Uniform zu bekennen (durch das Tragen allein wird ja bereits eine sensible Aussage getroffen, ebenso wie durch das Weglassen oder Zufügen von Teilen, Rangabzeichen etc.), sich jedoch nicht ausschließlich über seinen Uniformfetisch definieren zu lassen. Niemand wird glaubwürdig abstreiten können, eine totalitäre Gesinnung unterstellt zu bekommen, wenn er/sie permanent in Uniform-Outfits angetroffen wird. Ich persönlich halte es so, daß ich zwischendurch auch in anderen Outfits zu bewundern bin. Das tut meiner Vorliebe für Uniformen keinen Abbruch und beim nächsten Mal in voller Montur wird es eben eher toleriert. Man sollte - gerade wenn eine Begeisterung für Nazi-Uniformen herrscht - sich selbst wiederum verantwortungsbewußt und sensibel verhalten mit seinem Fetisch, das gilt genauso für die normalen aktuellen militärischen Uniformen. Es wird nicht zu Diskriminierungen kommen, wenn man diesen keinen Nährboden zur Verfügung stellt.

Vielen Dank für diese offenen und vielschichtigen Ausführungen.

Das Gespräch führte Maria Nicoli.