Die Tragödie der Belladonna

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(Kanashimi no Beradonna)
Japan 1973
Anbieter: Rapid Eye Movies / Alive
Laufzeit: 89 Minuten
Bild: 4:3 Vollbild
Ton: japanisch DD 2.0
Regie: Eichi YAMAMOTO
Hauptdarsteller: Aiko NAGAYAMA, Tatsuya NAKADAI, Katsutaka ITO
Produktionsfirma: Mushi Production

Die wilden Siebziger enttäuschen selten, wenn man sich auf die Suche nach ausgefallenen und bizarren Kleinoden der psychedelischen Kunst begibt. Und gerade Japan hatte in dieser Zeit vieles zu bieten: z.B. experimentelle Genrefilme, die mitunter längst legendären Kultstatus erlangt haben und heute kaum noch in dieser Form denkbar wären. Eine solche Entdeckung ist DIE TRAGÖDIE DER BELLADONNA (1973), ein avantgardistischer Zeichentrickfilm - nicht ganz der typische Anime, wie man sehen wird, wenn auch von Pionieren des Genres konzipiert.

Anime-Pionier Osamu Tezuka entwarf das Konzept des Films nach dem Buch 'La sorcière' von Jules Michelet, in dem dieser umfassend die Geschichte der Hexenverfolgung als eine jahrhunderte währende Unterdrückung der Frau analysiert. Aus den zahlreichen dort zitierten Ereignissen hat Tezuka eine metaphorische Geschichte gefiltert, die Jeanne D'Arcs tragisches Martyrium ebenso schildert wie den ewigen Geschlechterkampf.

Am Vorabend der französischen Revolution wird das schöne Bauernmädchen Jeanne von einem tyrannischen Fürsten gemäß dem jus prima noctis vergewaltigt. In ihrer Qual erscheint Jeanne der Teufel in Phallusform und verwandelt ihre Angst in sexuelle Hingabe, um sie in seinen Bann zu ziehen. Ihre neugewonnene diabolische Macht erzeugt respektvolle Furcht unter den Dorfbewohnern, aber steigert auch Jeannes Attraktivität. Langsam wird sie zur wahren Hexe, die für die Erfüllung der menschlichen begierden sorgt. Doch jeder, der seine Seele an den Teufel verkauft, wird einmal den Preis dafür zahlen. Und schließlich endetz Jeanne selbst auf dem Scheiterhaufen. Der Epilog jedoch zeigt, wie ihre Schwestern im Geiste schließlich die franzöische Revolution entfachten...

Der Zeichenstil dieses Animationsfilms ist durchweg experimentell und gerade für einen japanischen Anime äußerst ungewöhnlich. Inspiriert von den fließenden Formen Gustav Klimts bleiben viele Bilder statisch und werden von der bewegten Kamera erkundet. In animierten Sequenzen bleiben meist statische Elemente, so dass man nie eine volle Bewegungsillusion vor sich hat. BELLADONNA baut somit eher auf Taleaus denn auf Aktion und lebt sehr stark von den fließenden Wasserfarben und der psychedelischen Folkmusik, die einen Gutteil der Handlung trägt. Psychedelische Effekte kommen vor allem in den bizarren sexuellen Momenten vor, etwa wenn Jeanne während ihrer Vergewaltigung bildlich zerrissen wird.

Die DVD von Rapd Eye Movies ist im Pappschuber mit beideseitg bedrucktem Poster (und Infos) liebevoll gestaltet und bewahrt den Stil des Films. Der Film selbst, wie auch der Trailer und die Deleted Scene (die sich vor allem musikalisch vom Film selbst unterscheidet) sind deutsch untertitelt und liegen allesamt in 4:3 Vollbild vor, nicht in 16:9 anamorph, wie auf dem Cover angekündigt. Vermutlich entspricht das dem Originalformat, denn die Bildkomposition wirkt nicht beeindträchtigt.

Eine faszinierende Phantasmagorie, originell und herausfordernd. Und definitiv ein erwachsener Animationsfilm.

Marcus Stiglegger