Lars Dammann

Kino im Aufbruch
New Hollywood 1967-1976

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Schüren Verlag 2007
384 S.
viele Abb.
ISBN: 3-89472-435-8
Preis: 24,90 €

Die relativ kurze New-Hollywood-Ära gilt als eine der künstlerisch bedeutendsten Phasen des amerikanischen Films. Ihre Eckdaten sind umstritten, man geht aber meist von den Vorläufern aus, die 1967/68 noch im klassischen Studiosystem entstanden waren (DIE REIFEPRÜFUNG und BONNIE UND CLYDE) und konstatiert das Ende spätestens 1980 mit dem Fiasko von HEAVEN’S GATE, das für den Niedergang des United Artists Studio verantwortlich war. Neben den genannten Vorläufern ist vor allem die bereits in den 1950er Jahren aktive Produktion von Roger Corman interessant, aus dessen Umfeld zahlreiche spätere Talente kamen: Francis Ford Coppola, Dennis Hopper, Jack Nicholson, Martin Scorsese uva. Auch die Entwicklungen im klassischen Studiosystem in jenen Jahren sollen beleuchtet werden.

Das New-Hollywood-Kino zeichnet sich durch eine gesellschaftskritische Grundhaltung aus, die vor allem aus den innen- und außenpolitischen Problemen der USA gespeist wurde (Vietnamkrieg, Watergate-Skandal, Attentate, Rassenunruhen). Viele Filmemacher reflektierten in einer radikalen, ungewohnt deutlichen Weise diese Probleme. Einige von ihnen modernisierten die klassischen Genres des Hollywood-Kinos oder dekonstruierten sie (Robert Altmans Western), indem sie absichtlich gegen Genre-Konventionen verstießen. Typisch für das New Hollywood sind auch filmästhetische Experimente mit ambivalenten Außenseitern als Protagonisten, eine Tendenz, die vor allem mit Dennis Hoppers Roadmovie EASY RIDER (1969) einsetzte.

Lars Dammann lenkt in seiner Studie den Blick auf die Jahre zwischen 1967 und 1976, in denen eine Reihe junger Filmemacher in Konkurrenz zur etablierten Studioindustrie alternative Wege des Filmemachens erforschten. Sein umfangreiches Buch (fast 400 Seiten) erkundet meist systematisch alle denkbaren Facetten dieses Phänomens, auf filmhistorischer, ökonomischer und äthstischer Ebene. Dabei führt er zu den Subthemen einzelne bekannte Beispiele ausführlicher an, spart aber auch nicht weniger populäre Filme aus, wie das in vorangehenden Publikationen zum New Hollywood oft der Fall war.

Lars Dammann bietet so eine enorme Materialsammlung, die fast durchweg hervorragend recherchiert wurde und eine gelungene Ergänzung zum eher lexikalische Band "Trouble in Wonderland. New Hollywood 1967-1976" (Bertz & Fischer Verlag) darstellt, auch wenn nicht alle qualitativen Einschätzungen ungeprüft übernommen werden sollten. Lediglich die Bibliografie weist einige Lücken auf, was bei diesem Umfang erstaunt.

Die zeitliche Eingrenzung von 1967 bis 1976 kann weiter diskutiert werden, denn zweifellos war es Michael Ciminos monumentaler Spätwestern HEAVEN'S GATE (1980), der mit dem Niedergang der United Artists einen ökonomischen Schlusspunkt setzte. Auch die meisten der "Wunderkinder" des New Hollywood wandten sich neuen Themen zu, wenn sie überhaupt noch Aufträge bekamen. Das soll aber die hohe Qualität dieses Buches von Lars Dammann nicht in Frage stellen, denn momentan wird man kaum eine brauchbarere Einführung in die Thematik finden.

Marcus Stiglegger