False Mirror

Derelict World

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Label: Malignant Records
Format: CD Digipack
Veröffentlichung: Oktober 2010

Der hinter False Mirror stehende Tobias Hornberger entwirft auf seinem dritten Album „Derelict World“ eine endzeitstimmungs-schwangere Reise durch sphärische Ambient Drone-Kulissen. Die von Malignant Records auf den Weg gebrachte Veröffentlichung kann als Konzeptalbum gedeutet werden und ist durch eine Kurzgeschichte im Booklet um eine narrative Dimension erweitert worden. Die von Bjørn Springorum stammenden und mit „Account of the Dreadful Happenings“ überschriebenen Zeilen, erzählen von einem vom katastrophalen Sturm, der Tod und Verderben mit sich bringt. Die Erzählung geht hierbei mit nüchterner Distanziertheit vor. Diese Tristesse wird sowohl vom Cover, als auch der Stimmung der Kompositionen auf „Derelict World“ antizipiert.

Die Stücke tragen Namen wie „Constant Descent“ , „Wasteland“ oder „A Sunken Dream“ und vermitteln dem Hörer so prospektiv einen Eindruck von dem, was auf dem Album zu erwarten ist. Schon die ersten Minuten, in denen sich endlos wirkende Drones ablösen entwerfen ein Tableau, postapokalyptischer Leere in der man sich zu verlieren droht. Auch die weiteren Stücke führen dieses Programm konsequent weiter und verzichten zugunsten der Atmosphäre auf kompositorische Kontrapunkte. Das 25 minütige Finale „The Sea of Oblivion“ ist Höhepunkt und gleichzeitig Ende dieser Odyssee. Der konzeptionelle Charakter des Werks wird in den Stücken auch in einer weiteren Form transportiert: Dem Booklet ist zu entnehmen, dass fast alle Titel Field-Recordings enthalten, deren Provenienz mit Längen- und Breitengraden vermerkt wurde. Diese meist am Wasser aufgenommenen Klänge finden ihre Signifikante in Springorums Geschichte, die durch und durch von Wellen- und Meer-Metaphorik durchdrungen ist.

Bezeichnend für die außerordentliche Qualität des Albums ist, dass diese literarisch- akustischen Eindrücke so gekonnt eingesetzt wurden, dass sich beim Hören assoziativ die passenden Bilder einstellen. Vor das innere Auge schieben sich Erinnerungen an die Gemälde Caspar David Friedrichs oder die Filme Andrej Tarkowskijs. In jedem Ton spürt man organische Gewalt und eine der industriellen Welt fremde Ursprünglichkeit und entgrenzte Weite.

False Mirror ist es auf „Derelict World“ gelungen eine Atmosphäre zu schaffen, die stets auf das konkret Bildliche verweist und einen stark erzählenden Gestus hat. So wird das Album zu einer wirklichen Reise und zum Soundtrack eines imaginären Films durch menschenleere Ruinen. Die Endzeitstimmung wird auch durch die tolle Artwork-Gestaltung getragen, dessen ausdruckstarke Bilder eine schlichte Eleganz ausstrahlen. Malignant Records beweist mit dieser Veröffentlichung wieder einmal ein Gespür für innovative Konzepte im Bereich Ambient und präsentiert mit „Derelict World“ ein spannendes und uneingeschränkt empfehlenswertes Werk. Mit einem versteckten Bonus-Feature, das mit Booklet und Homepage zu erreichen ist, sprengt False Mirror schließlich alle medialen Schranken: Ein mitreißendes Album.

Patrick Kilian