Foresta di Ferro

Bury Me Standing

(Hau Ruck / Tesco 2003) CD 8 Tracks

Drei fleißige Musiker aus dem Bereich der Neofolk- und Industrialmusik haben sich hier zusammengeschlossen, um unter dem Namen Foresta di Ferro ein anspruchsvolles Konzept umzusetzen, einen "Soundtrack für ein imaginäres Doku-Drama über Glauben, Unglück und Fanatismus". Richard Levy von Ostara, Marco Deplano von der italienischen Industrialband Wertham sowie der altbekannte John Murphy, Drummer von Lustmord, SPK und zahlreicher anderer Projekte. Schlüssel zu diesem finsteren Klangpanorama, das sich vom ersten Weltkrieg bis zum aktuellen "Krieg gegen den Terror" erstreckt, ist Kusturicas bittere Spielfilmsatire UNDERGROUND, wo eine Gruppe Menschen vom zweiten Weltkrieg an im Untergrund hausen. Als sie endlich an die Oberfläche kommen, herrscht wieder Krieg - nichts hat sich in 60 Jahren geändert: Der Balkan steht in Flammen. Diese tragischen Kämpfer ohne Ziel und Ideologie dienen als Metapher für eine Welt, die sich zwischen "Glauben, Unglück und Fanatismus" zerreibt und nicht dazulernt.

Die musikalischen Mittel, die hier bemüht werden, reichen von atmosphärisch dichten Sample-Collagen über rituell-perkussive Stücke hin zu melodiösem Folk. Auch das volkstümliche Akkordeon kommt hin und wieder zum Tragen und vervollständigt ein Bild zeitloser Melancholie und Tragik, die diese CD überschattet. Track 2 widmet sich in kämpferischem Ton dem ästhetizistischen Totalitarismus von Yukio Mishima und seiner "Schildwache", wobei der vorprogrammierte Untergang des Künstlers und seiner Anhänger im rituellen Selbstmord nicht etwa hymnisch verherrlicht wird, sondern das Stück den Zuhörer mit dem hauch des nahen Todes angesichts einer Moment verklärter 'Schönheit' konfrontiert. Die filigrane Ballade "Oak-Leaf" bezieht sich vermutlich auf die Herbstlaubtarnung der Waffen-SS und erzählt von jungen Männern, die ein fanatisches Ideal verfolgend dem sicheren Tod entgegenschritten - "blinded by the lie". Dieses Stück ist sehr ambivalent im Umgang mit dem geschilderten "Opfergang" der Jugend und ist nur im Kontext des Albums verständlich. - Die mystische Verklärung des katholischen Kreuzzuges wird in "Militia Christi" umschrieben, wobei diese Idealisierung des loyalen Exekutors erstaunliche Parallelen zum Hagakure, dem Ehrenkodex der Samurais aufweist. Lediglich die ideologischen Ziele unterscheiden sich. Ähnliches klingt in der Ain-Soph-Coverversion von "Kshatrya" an, wo das umstrittene Konzept des "spirituellen Kriegers" nach Julius Evola thematisiert wird. Doch wo Ain Soph sich noch deutlich positiv auf den rechten Philosophen Evola beziehen, wird hier der balladeske Charakter durch lärmige Kakophonie und aggressive Schreie untergraben. Eine wirklich produktive und kritische Neuinterpretation eines zwiespältigen Stückes.

Ein zentrales Lied findet sich mit "On the Marble Cliffs" als Track 7. Hier wurde ein Stück von Death in June/Kapo weiterentwickelt, wobei von Ernst Jüngers Roman nur die titelgebende Metapher übernommen wird: das weltferne Exil auf den Marmorklippen. Neu ist der radikale Schluss, der arabisch-moslemische, lateinische und hebräische Gottespreisungen gegeneinandersetzt. Levy schließt mit den deprimierenden Worten: "Jerusalem has become a ghetto, - an armed ghetto, a burning ghetto..." Anfang und Schluss bilden Samples aus der deutschen Fassung von Lars von Triers Nachkriegsdrama EUROPA, ein weiterer Schlüssel zum Verständnis des Konzepts.

Die Beschäftigung mit diesem vielschichtigen Tonträger setzt einen tiefgehend interessierten Zuhörer voraus, der nicht etwa vordergründig pathetischen Untergangs-Pop erwartet, sondern gewillt ist, sich mit den weiterführenden und zitierten Medien zu beschäftigen. In diesem Sinne ist diese CD im liebevoll gestalteten Digipak mit umfangreichem Booklet ein echter Geheimtip.

Christoph Donarski