6<omm

Headless

BESTELLEN

(Schwarzrock/Dark Dimensions 2006) 2 CD

Es vielleicht zuviel zu behaupten, "Headless" sei eines der meisterwarteten Comebacks in der alternativen Musikszene, doch die zahlreichen Gastauftritte, die Patrick Leagas, Gründungsmitglied von Death in June und später Kopf von 6<omm, in der letzten Zeit absolvierte (für While Angels Watch, Kirlian Camera, :Golgatha: u.a.) machten durchaus neugierig, wie seine immer schon spezielle Mischung von Elektronik, Tribalrhythmen und düsterem Gesang heute wirken würde. Klammert man die Mother Destruction-Phase, die Leagas zusammen mit seiner Frau Amodali absolvierte, aus, war es über 15 Jahre ruhig um das Projekt, das einst mit "Content with Blood" einen Meilenstein hinterlassen hatte.

Um es ganz direkt zu sagen: "Headless" ist ein großartiges Comeback geworden, selbst wenn es sich dabei nicht durchweg um ein Konzeptalbum handelt. Der clash von Archaik und Moderne wird bereits durch die Figuren auf dem Cover verdeutlicht, und schonungslos stellt sich Leagas hier - in Stücken von 1985 bis 2005 - auch seiner eigenen Vergangenheit. Die DCD entält "Headless", ein experimentell-rituelles Elektroalbum mit elegischen Vocals, die mitunter an Scott Walker erinnern, sowie das introspektive "Let the Moon speak". Leagas hat es nicht mehr nötig, in eine Schublade zu passen. Zu vielfältig sind seine Ideen und Ansätze hier, zu komplex seine poetischen Visionen. Viel ist geschehen in seinem Leben, und man merkt diese Erfahrungen der Intensität seiner Texte an: "Wasted Soul", "Let the Moon Speak" oder "Like a Death in June" sprechen eine eigene Sprache und bringen eine Qualität zurück, die man etwa bei Death in June selbst lange vermisst hat.

Gelegentlich wurde betont, "Headless" wäre eher elektronisch, während "Let the Moon speak", die zweite CD, deutlich orientalische Züge trüge, tatsächlich mischt sich das jedoch thematisch und klanglich. Auf beiden CDs glänzt Leagas mit einer unerschöpflichen Kreativität, was seinen Umgang mit Stimmlage und Rhythmen betrifft. Spirituelle Führer auf seiner visionären Reise waren ihm Thesiger, Lawrence, Gurjieff und andere Grenzwanderer, Erfahrungen brachten ihm seine Zeit als Ausbilder in Afghanistan und als Kriegsfotograf in Afrika. In Interviews bezeichnet Leagas diese CD als eine Art Rückblick und Abschluss mit dieser vergleichsweise kurzen Lebensphase, die dennoch Eindrücke hinterlassen hat ("Kalashnikov is My Friend", "Lake of Tears"). "Like a death in june / you changed the world, I'm waiting for you, enchanted for, / in shame for you, I'll change for you..." singt er in "Like a Death in June".

"Headless" ist ein Meisterwerk, vielschichtig, elegisch und schwierig. Und die Rückkehr einer unglaublichen Stimme. Möge Patrick Leagas' kreative Wiedergeburt noch zahlreiche dieser Zeugnisse hervorbringen.

Marcus Stiglegger