Marilyn Manson

Eat me, drink me

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(Interscope 2007) CD 12 Tracks

Die Legenden des unverschämt gehypten Industrial-Rocks der Neunzigerjahre werden unaufhörlich älter. Manche reifen wie ein edler Wein (Rob Zombie), manche setzen die Segel Richtung Mainstreamrock (Nine Inch Nails), andere schielen unverbesserlich zurück in glorreiche Zeiten (Ministry), und Marilyn Manson geht seinen Weg einfach weiter. Er selbst bezeichnet dieses Album als ein persönliches Tagebuch, die Aufzeichnungen über eine Auferstehung aus dem Crash. Damit ist möglicherweise seine gescheiterte Ehe mit Fetisch-Ikone Dita von Teese gemeint, und natürlich sein neues Liebesglück, das er gewohnt öffentlich feiert. 'Eat me, drink me' geht also um den Konsum von anderen Menschen - und das Verzehrtwerden durch diese. Ein romantisches Album nach Manson-Maßstäben. So ist auch die Coverpose ungewohnt dezent und introspektiv ausgefallen, keine Uniformen und Massendominationen, keine Prothesen und Dekonstruktionen des American Lifestyle. Hier spricht der Poet selbst.

Letztlich ist dieses umfassend bewerbene Rockalbum in gewisser Weise aus einem Guss, verhehlt nicht seine Ambitionen und bietet immerhin 12 stilechte Hardrocksongs mit Mansons gewohnt brüchiger Stimme. Andererseits: Hatten die letzten beiden Alben schon mit erstaunlich wenig prägnanten Songs und Refrains aufwarten können, geht 'Eat me, drink me' hier noch weiter: Viele Texte fungieren eher als Erzählung vom vorprogrammierten Scheitern zwischenmenschlicher Beziehungen, den hymnischen Charakter früherer Klassiker lassen sie jedoch missen. Lediglich 'Heart-Shaped Glasses', zu dem auch ein stimmungsvoll-erotisches Video vorliegt,kommt diese Qualität zu (das liegt dann auch als Remix-Bonustrack vor). Ansonsten entfernt man sich vom düsteren Gothicrock und produziert mitunter depressiv-zerrende Gitarrenakkorde zum resignativen Kopfwippen.

'Eat me, drink me' ist auf seine Weise die Weiterentwicklung des typischen Manson-Sounds. Wer hier den Antichrist Superstar sucht, wird jedoch deutlich auf Distanz gehalten. Oder gewinnt einen Einblick in ganz andere Abgründe dieses sperrigen Mainstream-Outlaws, ganz wie man es betrachten will. Ästhetisch zumindest ist dieses Werk rundum gelungen.

Marcus Stiglegger