Mika Vainio

Life (...It Eats You Up)

Label: Editions Mego
Format: 2LP, CD
Veröffentlichung: 26.07.2011

Während sich Mika Vainio mit seiner Band Pan Sonic klanglich im Spannungsgefüge von Minimal Techno, Post-Industrial und extremem Electro bewegt, folgt er mit seinem Solo-Album „Life (...It Eats You Up) einem anderen Pfad. Wo bei Pan Sonic vor allem strenge, repetitive Kompositionen und rhythmischer Minimalismus herrschen, erschließt „Life...“ offene Räume und durchströmt diese mit ausufernden Noise-Collagen. In der Vergangenheit hat Vainio schon mit Mitgliedern von Autechre sowie Alan Vega von Suicide zusammengearbeitet – dieses Album bestreitet er alleine, bezieht sich jedoch auch auf Traditionen, in dem er „Open Up And Bleed“ der Stooges neu interpretiert. Die Arbeit an Neuem und die Erschließung von Räumen können auch darüber hinaus als zentrale Themen dieses Werkes gedeutet werden.

Vainio betitelt den ersten Track des Albums mit „In Silence A Scream Takes A Heart“ und verweist hiermit auf das Unbehagen eine Äußerung in der Leere entstehen zu lassen. Entfernt erinnert dies an Foucaults Rede zur „Ordnung des Diskurses“ (1970), in der dieser zu Anfang konstatierte: „Anstatt das Wort zu ergreifen, wäre ich von ihm lieber umgarnt worden, um jedes Anfangs enthoben zu sein“. Um einen Diskurs zu eröffnen, anstatt sich lediglich in die Tradition eines schon bestehenden einzureihen, beziehungsweise in die Stille zu schreien, bedarf es einer gewissen Risikobereitschaft. Mika Vainio beweist diese auf „Life (...It Eats You Up)“ und tritt mit seinem von an- und abschwellenden Noise-Flächen dominierten Opener vorsichtig in die vor ihm liegende Stille ein. Erst nach einigen Minuten erreicht der Song seine volle Lautstärke. Zaghaft wurde so jenes Wort in der Stille ergriffen, das zu erheben oft so schwer fällt. Das zweite Stück „Throat“ ist wesentlich aggressiver angelegt und wechselt Momente vollkommener Stille mit extremen Störgeräusch-Fragmenten. Folgt man der eingangs vorgeschlagenen Interpretation, könnte dies als eine Art Zögern gedeutet werden, mit der Vainio das beschriebene Unbehangen reflektiert. Dominierendes Instrument des Albums ist die Gitarre, die allerdings kaum konventionell eingesetzt wird und eher als gestischer Klanggeber fungiert. Im nächsten Stück taucht nun zum ersten Mal eine Drum-Loop auf, der den Feedback-Collagen Form gibt und durch seine monotone Wiederholung sehr hypnotisch einwirkt. Zu diesem Zeitpunkt hat „Life (...It Eats You Up)“ längst seine eigene Sprache gefunden, seinen Diskurs eröffnet und den offenen Raum gefüllt. In seiner Anordnung bleibt Vainio dann auch bei den in den ersten Stücken entwickelten Strukturen, die im weiteren Verlauf des Albums in unterschiedlichen Variationen durchdekliniert werden. Allerdings geschieht dies nie selbstzweckhaft und bleibt bis zum Ende ungebrochen interessant.

Editions Mego legt mit Mika Vainios Solo-Werk „Life (...It Eats You Up)“ ein sehr eigenständiges und reflektiertes Album vor. Gerade in dem sperrigen Charakter der Platte, die sich erst nach mehrfachem Hören zu erschließen beginnt, liegt ihre Besonderheit und ihr Potential. Stilistisch fällt es schwer klare Zuordnungen vorzunehmen, was nur dafür spricht, dass es Vainio tatsächlich gelungen ist in der Leere Neues zu schaffen – ein bemerkenswertes Album!

Patrick Kilian