The Protagonist

À rebours

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(Raubbau 2012) CD

„Yes, imagination is the only good thing which heaven vouchsafes to the skeptic and pessimist, alarmed by the eternal abjectness of life.“

Joris-Karl Huysmans

Der Protagonist Magnus Sundström griff für sein beeindruckendes Debüt programmatisch auf den Titel À rebours zurück, unter dem 1884 Joris-Karl Huysmans’ berüchtigter Roman erschien, der unter den Anhängern der Décadence und des Symbolismus schnell zum Kultbuch avancierte. Sundströms finsteres neoklassisches Opus folgt jedoch nicht sklavisch jener literarischen Vorlage, sondern lässt seinen Titel vielmehr als epochalen und kontextuellen Inspirationsquell begreifen; die Konnotationen dekadenter Ästhetik bieten hier auch Platz für Vertreter und Motive (schwarz)romantischer Expressionen.

So entstammt der im Eröffnungstrack The Eternal Abjectness Of Life rezitierte Abschnitt auch nicht Huysmans À rebours, sondern seinem später erschienenen Roman Là-bas, der eine ähnlich exzentrische Hauptfigur beschreibt, welche sich beim Ausloten eines naturalistischen Spiritualismus in Labyrinthen menschlicher Abgründigkeit verliert. Sundström gelingt es, den Hörer auf ähnliche Pfade zu führen, wenn er mit dramatisch anschwellenden Pauken und Marschrhythmen die Illusion eines hypnotisch triumphalen Voranschreitens evoziert (Assoziationen zum Werk Leni Riefenstahls liegen hier nahe), dem gleichzeitig die Melancholie eines unabwendbaren Scheiterns innewohnt.

In letzterem liegt die schwermütige Schönheit einer schwarzen Romantik, die vor allem in den Stücken Mutability und Imitation zu Tage tritt, in denen, getragen und gerahmt von bedrückenden Streichern und orchestralen Passagen, die jeweilig gleichnamigen Gedichte von Percy Bysshe Shelley und Edgar Allan Poe rezitiert werden. Imitation enthält darüber hinaus ein Zitat des Mystikers Angelus Silesius ("I am like God and God like me. I am as large as God. He is as small as I. He cannot stand above me nor I beneath him.“), welches Martin Scorseses Thriller Cape Fear entnommen wurde und von Robert de Niros übermenschlich erscheinender Rolle gesprochen wird. Hier schließt sich ein kontextueller Kreis zu dem Stück Zoroaster – altgr. Zarathustra.

Neben avantgardistischen und klassischen Vorbildern, unter denen sich vermutlich Krzysztof Penderecki und Béla Bartók befinden, ist Magnus Sundströms Nähe zu filmmusikalischen Kompositionen eindeutig erkennbar. Hier sei vor allem Wojciech Kilar genannt, auf dessen Arbeit zu Coppolas Dracula in Liedern wie Song of Innocence offenkundig Bezug genommen wird.

Die exzellent arrangierten Instrumentierungen orchestraler Gewaltigkeit, martialischer Düsternis und melancholischer Schönheit verbinden sich zu einem suggestiven Hörerlebnis, das einlädt, es Huysmans neurotischen Protagonisten gleichzutun und sich (zumindest auf die knapp 50minütige Spielzeit begrenzt) in einer artifiziellen Welt morbider ästhetisierter Imagination zu verlieren.

Oliver Hahm