Prurient

Bermuda Drain

Label: Hydra Head Records
Format: LP, CD
Veröffentlichung: 18.07.2011

Nach fast zwei Jahren Pause legt Dominick Fernow mit seinem Noise-Projekt Prurient ein neues Album vor. In der Zwischenzeit veröffentlichte er mit seinem Black Metal Duo Ash Pool, sowie der Dark-Wave Band Cold Cave und kümmerte sich um die zahlreichen Releases seines Labels Hospital Productions. Auf „Bermuda Drain“ hat sich nun vor allem sein Engagement in Wesley Eisolds Cold Cave niedergeschlagen und das Album näher in Richtung Pop geführt, als jede vorherige Prurient Veröffentlichung. Im Vergleich zu seinem letzten großen Werk „Rose Pillar“, das als Schallplatte in Verbindung mit einem Buch erschien und vor allem mit schweren Drones operierte, entwickelt sich Prurient nun in Richtung Electronic Music.

Der erste Track „Many Jewels Surround the Crown“ beginnt zuerst noch ganz vertraut mit einem verzerrten und markerschütterten Schrei, wird dann allerdings durch rhythmische Synth-Figuren abgelöst, die eine klare Taktstruktur markieren. Darüber spricht Fernow in klar verständlicher Stimme den Text, der immer wieder durch Noise Attacken unterbrochen wird. Im nächsten Titel „A Meal Can Be Made“ dominiert ein elekronischer Up-Tempo Beat, der von einer diesmal geschrienen Stimme begleitet wird. Erstaunlich ist vor allem die Strophe-Chorus-Strophe Struktur, die das Stück sehr eingängig erscheinen lässt und fast eine EBM Ästhetik aufweist. Die nächsten Tracks sind dann ruhiger und wieder mit spoken word Passagen angereichert. „Palm Tree Corpse“ wird stimmlich über weite Längen von einem einzigen Satz getragen und erinnert mit seiner kalten Synthesizer-Melodie entfernt an Goblin oder Soundtracks aus John Carpenter Filmen. Wenn in dem Stück „Let’s Make a Slave“ wiederholt die Zeile „give birth to something dead, give birth to something old“ geflüstert wird, erreicht „Bermuda Drain“ seine düstersten Momente, die die Bedrohlichkeit der früheren Alben auf eine subtile und hintergründige Weise überbietet, ohne an die Grenze der akustischen Erträglichkeit gehen zu müssen. An die Stelle der körperlichen Beklemmung ist hier eine eher psychologische Dimension getreten. Zeilen wie „your skin is clean as a candle“ beschwören Bilder und stehen emblematisch für Prurients Beschäftigung mit sexuellen Obsessionen, denen mit „Myth of Sex“ sogar ein eigenes Stück gewidmet ist.

Gerade „Myth of Sex“ verdient nähere Erwähnung, da Prurient hier mittels einer modulierten Synthesizer Melodie ein fast orientalisches Sound-Design kreiert. Zusammen mit der rituellen Perkussion, entsteht so eine Stimmung, die schon The Stooges auf ihrem Mantra „We Will Fall“ (1969) nutzten, um arabische Musikelemente zu zitieren. Fernows Beschäftigung mit dem Orient kann jedoch schon weiter im Schaffen von Prurient zurückverfolgt werden: Auf dem Album „The History of Aids“ von 2002 verwendet er Gedichte des mittelalterlichen, persischen Mystikers Rumi als Textgrundlage. Die Verbindung von Rumis Liebeslyrik mit der Aids-Thematik und orientalischen Klängen mit dem Titel „The Myth of Sex“ verweist hierbei wieder auf Fernows künstlerische Auseinandersetzung mit Sexualität. Die Verbindung von Sexualität - beziehungsweise einer „Ars Erotica“ - mit dem Orient hat schon Michel Foucault konstatiert, die er als Traum und Projektionsfläche des Westens identifizierte. Prurient vollzieht diesen Traum gewissermaßen nach, bricht ihn jedoch auch durch andere Symbole, wie zum Beispiel den Aids-Diskurs, der jenen Traum seit den 80er Jahren unterwandert hat.

„Bermuda Drain“ ist ein Album, das den klassischen Noise-Hörer zunächst sehr irritieren wird und sicher für viel Unmut unter den Prurient Enthusiasten sorgen könnte. Die neue Orientierung an elektronischer Musik, ja teils sogar an Techno-Versatzstücken, sowie die sehr saubere und klare Produktion des Albums stellen immerhin einen großen Sprung zu seinen vorherigen Werken dar. Dennoch weiß das Album zu begeistern, und ist in der Lage neue Hörer-Kreise zu erschließen, die den früheren Werken weniger abgewinnen konnten. Dass dieser 'Neustart’ ausgerechnet auf dem Vorzeige-Metal Label Hydra Head Records erscheint, ist erstaunlich. Hier wurde jedoch für eine sehr schöne Veröffentlichung gesorgt, die die Platte mit schwerem Vinyl und stimmigem Cover sowie den Lyrics abrundet. Als 'Gebrauchsanweisung’ steht vermerkt: „Listen on headphones at night while driving driving through tunnels in europe“. Ob man diesem Aufruf folgt oder nicht, fest steht mit „Bermuda Drain“ hat sich Prurient eindrucksvoll zurückgemeldet und ein großes Album vorgelegt.

Patrick Kilian