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RACHE FÜR JESSE JAMES
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Originaltitel: The Return of Frank James
Anbieter: Koch Media
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Henry Fonda, John Carradine, Gene Tierney u.a.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1940
Filmdauer (min): ca. 89
Soundsystem: Dolby Digital 2.0
Bildformat: 1.37:1 (4:3)
Sprache(n): Deutsch, Englisch
Regioncode: 2
Bonus: Bildergalerie
Der unaufhaltsame Vormarsch der Eisenbahn und die
schrittweise Domestizierung des einst wilden Landes ist eines der historischen
Schlüsselthemen des Western. Für viele Farmer und Rancher wurde
dieses technische Symbol des Fortschritts zu einem Schreckensbild („Ungeheuer“
nennt es der Vorspann), zu einer existenziellen Bedrohung, der Land und
Menschen geopfert wurden. Dies ist die Zeit der Western-Legende Jesse
James
Henry Kings Klassiker JESSE JAMES - MANN OHNE GESETZ (Fox
DVD) beginnt 1868 in Missouri: Auch die James-Familie gehört zu den
ehrenhaften, geradlinigen Farmern, deren Ländereien von der Eisenbahn
bedroht werden. Die Agenten der Midlands Eisenbahn Gesellschaft zwingen
die Anwohner mit drastischen Mitteln, ihre mühsam erschlossenen Ländereien
zu Spottpreisen herzugeben. Als sich die Brüder Jesse und Frank James
gegen die Agenten zur Wehr setzen, wird ihre Farm in Brand gesteckt und
die Mutter ermordet. „Da gibt’s für uns nur eins zu tun,“
schließt Frank: Die Brüder nehmen Rache und töten den
verantwortlichen Eisenbahnagenten, wodurch sie zu Ausgestoßenen
werden. Sie können ihre Existenz fortan nur noch durch Eisenbahnüberfälle
und Bankraub sichern, wobei sie von der Bevölkerung gedeckt werden,
die sich in einer ähnlichen Lage wie die Banditen sieht und sie als
Volkshelden verehrt, die sich gegen die Eisenbahn auflehnen. Das Kopfgeld
auf Jesse James steigt von Mal zu Mal.
Ein Mitglied von James‘ Bande, der hagere Bob Ford,
versucht Jesse hinterrücks zu erschießen, schafft es jedoch
nicht. Stattdessen verrät er Jesses Plan, die National Bank in Northfield,
Minnesota, zu überfallen. Mit ihren langen, hellen Staubmänteln
reitet die Band in die Stadt ein, die von Ordnungskräften besetzt
und verbarrikadiert ist. Der großangelegte Überfall wird zum
Desaster, bei dem die meisten Mitglieder der James-Gang den Tod finden.
Verwundet kehrt Jesse zu seiner Frau zurück und will mit ihr in Kalifornien
ein neues Leben beginnen. Zum ersten Mal sieht er auch seinen Sohn. Kurz
vor seiner Abreise sucht ihn jedoch der Verräter Bob Ford zusammen
mit einem Kumpanen auf und tötet den nichtsahnenden, unbewaffneten
Mann mit einem heimtückischen Schuss in den Rücken. Am Ende
wird Jesse James ein Denkmal gesetzt.
Henry Kings früher Farbwestern, der Prototyp einer
ganzen Reihe von Genrefilmen wurde, u.a. der ebenfalls mit Henry Fonda
besetzten Fortsetzung RACHE FÜR JESSE JAMES
(1940) von Fritz Lang, baut die James-Brüder als gerechtigkeitsliebende
Männer des Old West auf, die auf die drohenden Umwälzungen durch
die fortschreitende Entwicklung mit der trotzigen Geste des Outlaws reagieren.
„Wie viele andere Western auch enthüllt der Film eine Ambivalenz
gegen das Öffnen der Grenzen: ein Gefühl epischer Enthüllung,
ein erregende Angelegenheit, vermischt mit einem anderen Gefühl,
das bedeutet, dass mit jedem weiteren Schritt innerhalb der Erschließung
des Westens etwas verlorengeht – in erster Linie (und hier besonders
wichtig herausgestellt) das einfache Leben jener Farmer in den Grenzbereichen,
die aufrecht ihrem Lebenswerk nachgehen,“ resümert Michael
Kerbel.
Das Produktionsstudio Fox besetzte die Rolle mir dem bevorzugten
Darsteller Tyrone Power jr., der in seiner fast jungenhaften Attraktivität
Jesse James als einen wagemutigen Westernhelden klassischen Formats verkörpert,
während sein Bruder Frank in der Darstellung durch den jungen Henry
Fonda eher nachdenklich und gelassener erscheint. Einen Höhepunkt
erreicht dieses Unterspielen in der Szene des Eisenbahnüberfalls,
in dem Frank mit seinen strahlend blauen Augen den höflichen Gentleman
gibt, sich bei den Opfern bedankt und sie abschließend darauf hinweist,
dass sie die Eisenbahngesellschaft auf Schadensersatz verklagen können,
was dem auf den ersten Blick destruktiven Handeln der Brüder eine
doppelte Legitimation verleiht: Sie schrecken die Passagiere von der Nutzung
der Bahn ab und verschaffen der Eisenbahngesellschaft einen finanziellen
Schaden. So schafft es Fonda für Momente, dem ungestümen Publikumsliebling
Tyrone Power die Aufmerksamkeit zu stehlen.
Fritz Langs RACHE FÜR JESSE
JAMES, der nun bei Koch Media als erstklassig gemasterte DVD vorliegt,
geht etwas anders vor: Der junge Outlaw Jesse James wurde von Ben Ford,
einem Mitglied seiner Bande, hinterhältig erschossen, als er ihm
den Rücken zuwandte. Statt am Galgen zu enden, werden der feige Mörder
und sein Bruder in einem Scheinprozess freigesprochen und kassieren das
Kopfgeld, das auf Jesse James ausgesetzt war. Doch damit sind die beiden
noch lange nicht sicher, denn auf ihrem Weg von Missouri in die Rocky
Mountains ist ihnen Frank James, Jesses Bruder, dicht auf den Fersen,
der das Gesetz selbst in die Hand genommen und tödliche Rache geschworen
hat. In Langs etwas statischer inszeniertem Fortsetzungsfilm funktioniert
diese 'Unterspielen‘ jedoch weniger, da ihm einer angemessener Gegenpol
dort fehlt, obwohl ihm auch hier ein jüngerer Mann an die Seite gestellt
wurde. Langs Inszenierung des Rachefeldzuges gegen Jesses Mörder
weist im Gegensatz zu Kings Film einige experimentelle visuelle Arrangements
auf, die die frühe Verwendung von Technicolor mit fast expressionistischem
Chiaroscuro auf reizvolle Weise kombinieren. Auffällig sind auch
liebevolle Matte-Paintings in den Totalen. So ist
es von großem filmhistorischem Wert, dass Koch diesen Film wieder
zugänglich macht.
Nachtrag:
Zahlreiche amerikanische Western nahmen das Thema
der James-Bande und des Minnesota-Überfalls wieder auf. So drehte
Norman Z. McLeod eine Parodie mit Bob Hope Ein Schuss und 50 Tote / Alias
Jesse James (1959); bemerkenswert ist auch Samuel Fullers Regiedebüt
Ich erschoss Jesse James / I Shot Jesse James (1948), der sich in seiner
Erzählperspektive ganz auf den James-Mörder Bob Ford konzentriert.
In den siebziger Jahren entstanden zwei düstere Spätwestern,
die den Ereignissen um den Minnessota-Überfall der James- und Younger-Brüder
auf möglichst ungeschminkte Weise gerecht werden wollten: Philip
Kaufmanns Der große Minnesota Überfall / The Great Northfield
Minnesota Raid (1971) und Walter Hills The Long Riders (1979), eine späte
Hommage auch an Peckinpahs The Wild Bunch (1969). Beide Versionen weisen
in der Darstellung des Überfalls erstaunliche Ähnlichkeiten
mit Kings Klassiker auf. Obwohl diese Filme gelegentlich einen mythischen
Grundton anschlagen, etwa im finalen Martyrium der Long Riders, ist ihnen
doch die Bemühung anzumerken, einen historischeren Blick auf die
Umstände der Zeit und die Zwangslage der Outlaws zu werfen, Elemente,
die den klassischen frühen Western nur als Grundierung dienten, und
die hier in ihrer klassenpolitischen Dimension beleuchtet werden.
Marcus Stiglegger
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