Tschaikowsky – Genie und Wahnsinn

BESTELLEN

Originaltitel: The Music Lovers
Regie: Ken Russell
Produzent: Ken Russell, Roy Baird
Drehbuch: Melvyn Bragg
Buchvorlage: Barbara von Meck
Musik: Peter Tschaikowsky
Darsteller: Richard Chamberlain, Glenda Jackson,
Großbritannien / 1971
Sprache/Ton: Deutsch DD 2.0 Mono
Englisch DD 2.0 Stereo
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bildformat: 2.35:1 anamorph (16:9) / PAL / Farbe
Laufzeit: 118 Min.
Regioncode: 2
Format: DVD9
FSK: 16
Verpackung: Amaray mit Wendecover
Vertrieb: AL!VE AG
Label: Winkler Film
VÖ: 17.02.2012

Einst war der britische Regieauteur Ken Russell der Vorzeigeexzentriker des europäischen Kinos. Seit den 1980er Jahren war es weitgehend ruhig um ihn geworden, und als er im letzten Jahr (2011) starb, fanden sich in den Feuilletons nur noch kleine, oft halbherzige Nachrufe. Dabei hinterlässt Russell ein durchaus eindrucksvolles Gesamtwerk, das auch durch schwache Billig- und TV-Produktionen der letzten Phase kaum getrübt wird. So bleibt sein Klosterdrama THE DEVILS (1971) ebenso unvergessen wie die Reihe von Komponistenporträts, mit denen er das Kino der 1970er Jahre erschüttert – am Eindrucksvollsten wohl mit MAHLER (1972) und TSCHAIKOWSKY (1971), bild- und tongewaltigen Collagen über Kreativität, Genialität und Wahn. Das österreichische Label Winklerfilm macht nun letzteren erneut der Öffentlichkeit zugänglich.

TSCHAIKOWSKY ist nach heutiger Terminologie ein BioPic – denn der Film folgt dramaturgisch einer längeren Phase im Leben des russischen Komponisten Peter Tschaikowsky (Richard Chamberlain). In jungen Jahren führt dieser zusammen mit seinem Freund Graf Anton Schiluwsky ein ausschweifendes Leben in den Salons. Als die Aufführung seines ersten Klavierkonzerts Tschaikowsky schlagartig berühmt macht, buhlen zwei Frauen um seine Gunst: die gönnerhafte Witwe Nadeschda von Meck, die nur über Briefe mit ihm in Kontakt tritt, und die nymphomanische Antonia Milukowa (Glenda Jackson), die sich obsessive in ihn verliebt. Ungeachtet seiner homosexuellen Veranlagung akzeptiert er die Ehe mit Antonia – ein damals probates Mittel, den Skandal um die Homosexualität zu vermeiden. Doch bald fällt Tschaikowsky in eine verheerende Krise – kreativ und emotional. An diesem Punkt entwickelt die Inszenierung einen verstörenden Einfallsreichtum, lässt Bild und Tonebene kontinuierlich entgleiten und in ein Panoptikum der Verstörung münden, das den zögerlich-konventionellen Beginn schnell vergessen lässt.

Dramaturgisch nah an der Formel des Melodrams mischt Russell romantisch-schöne Bilder mit beklemmenden Sequenzen, welche die innere Zerrissenheit des Komponisten intensiv vermitteln. Dazu kommt die epochale Musik, die Russell immer wieder für sich stehen lässt. Die hervorragend gemasterte DVD von Winklerfilm präserviert die detailverliebte Bildwelt des Films für die Nachwelt. Die englische Tonspur erscheint hier voller und adäquat, während der deutsche Ton Bässe und Brillanz missen lässt. Leider liegt keinerlei Bonusmaterial zum Film vor. In der mittleren Preiskategorie ist jedoch die gelungene Präsentation des Films selbst bereits erfreulich. MAHLER wäre eine notwendige Ergänzung.

Marcus Stiglegger