Underground

4 / 5 Sterne

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Originaltitel: Underground
Label: Arthaus
Produktionsjahr: 1995
Produktionsland: Frankreich/Deutschland/Ungarn
Kinostart: 23.11.1995
FSK: ab 16 Jahren
Lauflänge: ca. 163 Minuten
DVD Bild: 1,85:1 (16:9 anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch Dolby Digital 5.1, Serbokroatisch Dolby Digital 2.0 Stereo
Untertitel: Deutsch
Extras: Hinter den Kulissen, Interview mit Kusturica, Kurzbeiträge "Filmteam in Cannes" und "Das Ausstattungsdesign"

Es ist erfreulich, dass Kinowelt nun tatsächlich nach und nach das Arthaus-Backprogramm, das einst auf VHS erhältlich war, auf DVD zugänglich macht. Einer der wichtigen und längst überfälligen Titel ist diese Groteske über den Jugoslawienkonflikt, mit der sich Emir Kusturica ganz in die Tradition von Lina Wertmüller stellte: Unfassbare Grausamkeit steht neben Lebenslust und Leichtigkeit, melancholische Schwermut wird aufgebrochen durch fast hysterische Albernheiten. Vor Details berstende Bilder, beschwingte Musik und eine mitunter turbulente Montage kennzeichnen seinen Stil, mit dem er seine Protagonisten vom zweiten Weltkrieg bis ins heutige (Ex-)Jugoslawien begleitet...

Es beginnt in Belgrad 1941: Während der deutsche Besatzung verstecken sich Partisanenfamilien in einem unterirdischen Bunkerlabyrinth. Dort fabrizieren sie Waffen für den Widerstand, die der Schwarzmarkthändler Marko an seine Kunden vermittelt. Die Geschäfte laufen gut, zudem wird Marko als patriotischer Helfer der Partisanen gefeiert. Um die Waffenproduktion nach Kriegsende weiterzuführen, lässt er die Flüchtlinge im Untergrund in dem Glauben, die Deutschen wären weiter auf dem Balkan an der Macht. Er spielt ihnen fiktive Rundfunkberichte über den Siegeszug der Nazis zu, während er immer reicher wird und mittels seiner Waffenfabrik Karriere macht. - Zwanzig Jahre später gelangen einige der betrogenen Partisanen in die Außenwelt. Als erstes begegnen sie ausgerechnet den Dreharbeiten eines Films, der die deutsche Besetzung thematisiert...

Kinowelt präsentiert die monumentale Chaoskomödie in der gelungenen deutschen Synchro und im Originalton, wobei der deutsche Ton deutlich überzeugender ist. Die Setaufnahmen stellen sich als das übliche unkommentierte Drehmaterial dar, geben jedoch für Fans und Spezialisten einen Einblick in Kusturicas Arbeitsweise (etwa er selbst hinter der Kamera). Aufschlussreicher für alle ist das Interview, in dem er von seiner Sehnsucht erzählt, endlich einmal eine reine Komödie zu drehen - was auch UNDERGROUND nicht geworden ist... Eher amüsant sind die Aufnahmen aus Cannes. Es handelt sich hier um die reguläre Kinoversion, nicht um den längeren Director's Cut, was jedoch kein Grund zur Trauer ist, denn der Film funktioniert vor allem in dieser ohnehin schon langen Version sehr gut.

Mit UNDERGROUND liegt endlich auch auf Deutsch einer der wichtigen osteuropäischen Filme des Kultregisseurs Kusturica vor. Wer sich für ungewöhnliche und kritische Kriegsfilme interessiert, wird um diese detailreiche Groteske kaum herumkommen.

Marcus Stiglegger