Jean-Pierre Gorin (Hg.)

Der Weg der Termiten
Beispiele eines essayistischen Kinos 1909-2004

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Viennale Int. / Schüren Verlag 2007, 223 Seiten, gebunden

Wer sich professionell oder kreativ mit dem Medium Film beschäftigt, sehnt sich irgendwann nach dem Außergewöhnlichen, dem Unberechenbaren. Das Medium wird gefordert - über sich selbst nachzudenken, seine Möglichkeiten und Vorzüge. Überhaupt: nachzudenken. Wer also sucht, wird den Essayfilm finden, jene schwer definierbare Hybridform zwischen Dokumentarfilm, Spielfilm und philosophischem Essay, die Jean-Luc Godard, Chris Marker, Alain Resnais, Joris Ivens, Alexander Kluge und einige andere Filmkünstler erforschten.

Das Buch zur Viennale-Retro 2007 zum essayistischen Kino borgt seine titelgebende Metapher bei einem Text von Manny Farber, "Termite Art". Er bezeichnet ein "käferhaftes Einwühlen" in das Sujet, ein zunächst scheinbar zielloses Verzehren und erbauen von unerklärlichen Monumenten. Eine großartige Idee. Dabei ist "Der Weg der Termiten" nicht die erste Auseinandersetzung mit einem aufregenden Thema. Es gabe frühere, oft an Chris Marker orientiert, aber auch grundsätzliche.

Eine Retrospektive essayistischer Filme lohnt sich immer, und so ist dieses Buch vor allem eine fruchtbare Materialsammlung: mit historischen Texten von Erich von Stroheim, Dziga Vertov, Glauber Rocha, Nagisa Oshima, ergänzt durch lange Zitate aus den Originaltexten und Kommentaren der Filmemacher zu einzelnen Filmen in der umfassenden Filmografie, die jeden Beitrag angemessen würdigt.

Das ist eine Einladung zum Entdecken und Erinnern, zum Neusehen aber auch, illustriert mit zahlreichen Schwarzweißabbildungen, edel gebunden. Ein schönes und reiches Buch, herausgegeben von einem Insider: Jean-Pierre Gorin gründete einst mit Godard und Gerard Martin die Groupe Dziga Vertov und drehte u.a. LETTER TO JANE mit Godard. Für den ernsthaften Kinofan unverzichtbar!

Marcus Stiglegger