Van Creveld, Martin:

Gesichter des Krieges.
Der Wandel bewaffneter Konflikte von 1900 bis heute.

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(Siedler)

Über den Krieg zu schreiben ist ein veritables Mienenfeld. Entweder gerät die Reflexion metaphysisch euphorisch wie in den Stahlgewittern eines Ernst Jüngers oder der Krieg wird zum namenlosen Grauen – ein Tabuthema, das nur schwer zu diskutieren ist. Natürlich ist Krieg ein Schlachtfeld, auf dem Menschen kurzerhand aus politischen und machttaktischen Motiven in grausamster Weise geopfert werden – genau deswegen lohnt sich aber ein kühler analytischer Blick auf die Kriege der letzten 100 Jahren.

Genau dies hat der renommierte Militärhistoriker Martin van Creveld in seinem umfangreichen Buch über die „Gesichter des Krieges“ getan. Er nimmt Abstand von den Gräuelbeschreibungen und stellt nüchterne Zahlen an die Stelle individueller Schicksale. Diese sind oft grausamer als jede Schilderung der Szenarien, denn sie sagen etwas über die Dimension und nicht mehr über das persönliche Leid. Krieg, so liest man aus dem Buch heraus, hat sich aber gewandelt. Taktiken und Vorgehensweise sind nicht mehr dieselben wie noch im Ersten Weltkrieg – und das liegt nicht nur am Voranschreiten der Technik. Van Creveld klammert nicht den überaus wichtigen politischen und soziologischen Kontext der jeweiligen Zeit aus und führt detailliert auf, wie es zu den jeweiligen bewaffneten Konflikten kam. Denn auch wenn sich das Gesicht des Krieges verändert haben mag, so gibt es doch immer eine Konstante: Der Mensch ist stets selbst sein eigener Schlachter. Ob nun Verdun oder Hindukusch: Es sind ähnliche Motive die greifen und die Nationen in eine Spirale der Gewalt ziehen. Die Spieler der Macht, die in einem größeren Kontext ohne mit der Wimper zu zucken 30 Millionen Menschenleben von 1939-45 hinwegwischten sind auch heute nicht ohne Skrupel – dennoch hat sich etwas wichtiges verändert. Paradoxerweise argumentiert van Creveld, dass es ausgerechnet die Bombe war, welche das Blutvergießen zumindest eingedämmt hat und für eine lang anhaltende Friedensperiode gesorgt hat. Das Remis zwischen den Supermächten führte zu einem – zwar angespannten und paranoiden – Frieden: Alle Länder, die im Besitz der Bombe sind wissen um die verheerende Wirkung der Waffe und vermeiden den Einsatz.

Ob van Creveld mit dieser Mutmaßung Recht behält und es nicht doch irgendwann wieder zu einem fatalen Konflikt zwischen den großen Mächten der Erde kommt, wird die Zukunft zeigen – dennoch ist sein Standpunkt lesenwert und das nicht nur für militärhistorisch Interessierte.

Martin Kreischer