S.E.T.I.

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Baikal

(Loki Foundation 2011) CD 7 Tracks

Andrew Lagowski ist ein Klassiker des Ambient-Genres. Durch seine Beiträge zu Lustmords legendärer "Heresy"-CD und seine eigenen Projekte Legion und S.E.T.I. definierte er einen kalten Dronesound, der in dieser kristallinen Klarheit selten ist und ihm sogar in diesem minimalistischen Genre einen Wiedererkennungswert beschert. Umso erfreulicher ist die Veröffentlichung des neuen Albums "Baikal" auf dem Leipziger Loki-Label, das an seine nahezu ungebrochene Reihe hochqualitativer Darkambient-Veröffentlichungen aknüpft.

Der Baikal-See erweckt Assoziationen klirrender sibirischer Kälter, pelziger Reif-Beschichtung auf Pflanzen und Steinen und einen stetig pfeifenden Wind. Die Coverfotografien bestätigen diesen Eindruck einer kalten, einsamen Gegend, in der nur Industrieruinen von Zivilisation zeugen. Lagowski gibt sich jedoch nicht mit einer auditiven Adaption dieser kargen Landschaft zufrieden, auch wenn der Grunddrone in diese Richtung weist.

Immer wieder (bereits in Stück zwei) kommen elektronische Irritationen hinzu, die an Kommunikationsströme erinnern und auf S.E.T.I.s Mission verweisen: Das namensgebende Projekt sucht nach außeriridischer Intelligenz, und am Baikal See findet sich ein entsprechendes Neutrion-Teleskop, das den Kosmos nach Kommunikationsspuren absucht. Aus dieser Perspektive ist das Album durchaus spannend, gar unheimlich, wenn in Track 4 ("Tetrathulation") zyklische Ströfrequenzen wiederkehren und hohes elektronisches zwitscher mit bassigem 'Knurren' in einen Dialog zu treten scheint. Und zudem gibt es einen unerwarteten Optimismus, der daraus erwächst, denn das Stück nimmt im zweiten Teil eine Wendung ins Harmonisch-Melodiöse. Es bleibt ein Geheimnis, doch es ist nicht von Zerstörung geprägt. Das gilt auch für Track 5 ("Cosmic"), in dem eine Mutter von der "unbekannten Begegnung" ihres Sohnes berichtet. Hier entfaltet sich eine 'warmes' Phasing wie eine decke über den Hörer. "Baikal" ist kein Werk der Paranoia.

So ist Lagowskis Album "Baikal" eine Bestätigung des Ausnahmestatus' dieses Musikers, der nun seit über zwanzig Jahren eine intensive Klangforschung über die Grenzen des Genres hinaus betreibt und in einem wechselseitigen Effekt fruchtbar macht. "Baikal" gehört so zu den faszinierendsten Klangkunst-Veröffentlichungen des ausgehenden Jahres 2011.

Marcus Stiglegger