Kim Ki-duk: CROCODILE & BIRDCAGE INN

BESTELLEN

Anbieter: www.visimundi.com

Die Gewalt in meinen Filmen hat nichts Provozierendes“, sagte Kim Ki-Duk in Die Zeit (18. März 2004), „es geht mir dabei um eine Art von Magie. Um die Beziehung zwischen zwei Menschen, um die Magie der Liebe oder der Zuneigung, die allein in der Gewalt ihr adäquates Ausdrucksmittel findet.“

Mit seinen radikal stilisierten poetischen Dramen Seom – Die Insel (2000), Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling (2003), Samaria (2004), Bin-jip - Leere Häuser (2004) und Hwal - Der Bogen (2005) hat sich der südkoreanische Autorenfilmer Kim Ki-dukfest im Gefüge des internationalen Kinos etabliert. Im Gegensatz zu seinem kommerziell erfolgreicheren Landsmann Park Chan-wok (Old Boy, 2005) ist ihm die Anerkennung im Heimatland jedoch weitgehend verwehrt geblieben. Seine psychosexuellen Parabeln über die Unterschicht, die er mit meditativen, nur auf den ersten Blick asiatisch-spirituellen Kompositionen verbindet, befremden das dortige Publikum. In Europa jedoch begrüßt man Kims schonungslose Beziehungsporträts als eigenständige Kunstwerke.

Seinen intellektuellen Hintergrund – es verwundert kaum – erwarb Kim durch ein Kunststudium in Paris, auch wenn er später nach Korea zurückehrte, um seinen Visionen dort meist auf der Ebene des Low-Budget-Films Ausdruck zu verleihen. Mehrere seiner Werke liefen beim Festival in Venedig (The Isle, Address Unknown). 2004 wurde Samaria auf der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet, ebenso wie im gleichen Jahr Bin-jip auf den Filmfestspielen von Venedig gekürt wurde.

Geboren am 20. Dezember 1960 in Bongwha, Südkorea, war Kim sehr früh mit der politischen Situation in Südkorea konfrontiert: „Mein Vater ist ein Korea-Kriegsveteran. Ich wurde sehr militärisch aufgezogen. Schläge gehörten zur Tagesordnung. Ich spüre den Schmerz nicht mehr,“ sagte er im Interview (Die Zeit, 18. März 2004) auf die oft wiederholte Frage nach der massiven Gewaltpräsenz in seinen Filmen. Mit siebzehn Jahren verdiente er seinen Unterhalt durch Gelegenheitsjobs und leistete Wehrdienst bei der Marineinfantrie. 1990 beschloss Kim, Maler zu werden. Er zog nach Paris, um dort Kunst zu studieren.

Schon 1992 begann er, Drehbücher zu schreiben und bekam ein Stipendium, das ihm den Weg zu seinem ersten Film Crocodile (1996) ebnet, der bereits alle Elemente seiner späteren Werke im Kern enthält: Der zu kopflosen Gewaltausbrüchen neigende obdachlose Gauner Crocodile lebt mit einem alten Mann und einen verwahrlosten Jungen unter einer Brücke in Seoul. Eines Tages rettet er die Selbstmörderin Hyun-Jung aus den Fluten, jedoch nur um sie sexuell auszunutzen. Die Frau kehrt dennoch zu ihm zurück und aus der Schicksalsgemeinschaft unter der Brücke wird eine bizarre Familie, die nur durch Crocodiles Neigung zur Gewalt gefährdet ist. Die Ideen sexueller Machtspiele, das weibliche Selbstopfer und der männliche Zerstörungstrieb – sie tauchen hier wie in späteren Werken auf, wenn auch etwas weniger verfeinert und stilisiert.

Sexuelle Verflechtungen stehen im Zentrum von Birdcage Inn (1998): Die junge Prostituierte Jin-a muss von Seoul nach Pohang ziehen, wo sie bei einer kleinen Familie Unterkunft findet und weiter ihrem Gewerbe nachgeht. Was zunächst harmonisch erscheint, entwickelt sich zu einem dramatischen Dreiecksgeflecht, vor allem, als sich der Freund der Tochter des Hauses in sie verliebt. Kim geht bei diesem Film dezenter vor, strebt eine Ruhe und Konzentration in der Inszenierung an, die man eher von seinen späteren Werken kennt. Sexualität und Gewalt treiben die Protagonisten weiterhin um, doch der Film dabei geht weniger offensiv vor.

Die neue deutsche Firma Visimundi bringt nun - nach einer Ausstrahlung auf ARTE (Februar 2008) - den Debütfilm CROCODILE sowie Kims dritten Film BIRDCAGE INN auf DVD heraus. Beide Veröffentlichungen sind recht teuer (ca. 22 Euro) und bieten die Filme im Orginal, Vollbildformat mit deutschen Untertiteln. BIRDCAGE INN enthält noch eine interessante französische Doku ("Cineaste of Wild Beauty") von 60 Minuten Länge, die jedoch im unteren Drittel schwarz überdeckt ist (vermutlich, um einen Hintergrund für die Untertitel zu bekommen, und im 16:9 anamorph zu sehen ist, obwohl das Material wohl nicht so codiert war. Bei BIRDCAGE INN entschuldigt man für die unzureichende Qualität des Masters, doch dieser Film sieht sogar besser aus als der sehr rauh inszenierte CROCODILE. Die DVDs sind also nicht perfekt, machen jedoch zwei fast vergessene Filme neu zugänglich, die das Werk eines der ungewöhnlichsten Filmemacher der Gegenwart begründen. Insofern schadet den Filmen diese Präsentation nicht.

PS: Es bleibt anzumerken, dass es von BIRDCAGE INN eine großartige anamorph codierte koreanische Breitwandfassung gibt (mit englischen UT). CROCODILE ist dort jedoch ebenfalls nicht in guter Qualität zu bekommen.

Marcus Stiglegger