In Scherben

Dort an jenem Baume

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(Lichterklang 2011) CD 12 Tracks

Nachdem das Erscheinen des Buches 'Looking for Europe' den Höhepunkt und Wendepunkt des Neofolkgenres kennzeichnete, ist diese vielfach umstrittene Musik dorthin zurückgekehrt, wo sie einst herkam: den musikalischen Underground. Das Label Lichterklang bemüht sich um die Pflege dieses Genres und fördert Musiker der klassischen Linie - wie etwa In Scherben, die mit 'Dort an jenem Baume' ihr inzwischen drittes Album vorlegen. Mit Eichendorff, Benn und Lenau im Gepäck entfalten sie ein Kaleidoskop von zwöf durchaus unterschiedlichen Songs...

'Sieh die Sterne' ist ein martialisch-düsteres Intro mit introspektivem Text, das die Wiederkehr der heidnischen Götter beschwört. Eine Invokation. Mit 'Herbstentschluss' folgt sogleich ein sanfter, leicht pathetischer deutscher Folksong im Stil von Forseti. Männer- und Frauengesang wechseln sich ab, schaffen eine sehnsuchtsvolle Atmosphäre. In 'Totensonntag', der etwas schwerfälliger daherkommt, geht diese Mischung dann weniger auf.

'Die alte Zeit' kann als prototypisch für In Scherben gesehen werden. Der monotone und düstere Puls des Stückes, die melancholische Keybordmelodie und der dunkle Gesang erinnern an Sonne Hagal, erschaffen aber eine ganz eigene Aura der Schicksalshaftigkeit. 'Die Gitter' sehnen einmal mehr nach 'Freiheit', doch was könnte das sein. Eher eine Frag als eine Forderung. 'Durch die Sternennacht' signalisiert bereits im Titel einigen Kitsch, und tatsächlich bewahrt man hier ganz das Bewährte - nicht wirklich aufregend.

'Horizonte' sehnt bereits in der ersten Zeile nach 'Ewigkeit'. Ungeachtet der einschmeichelnden Grundmelodie relativiert sich die Aura hier durch den etwas ausdrucksloen Gesang. 'Ruinen' hat ähnliche Probleme mit weiblichen Vocals. Erst 'Aufbrauch' baut die Kraft neu auf, wobei das einschmeichelnde Gitarrenspiel und die meldoiöse Harmonika ihr Übriges leisten. Ein schöner Folksong. Für viele FolkhörerInnen wird 'Vergessen' wohl am ehesten dem enstprechen, was man unter hedinsichem Neofolk versteht. Der verlorene Heimatbezug wird beklagt, Akustikgitarre, Landsknechtstrommel und Snraderums erklingen zum trotzigen Refrain "Doch wir schreiten voran". (Kritiker des Genres werden hier dagegen alle Befürchtungen erfüllt wissen.) Mit 'Sachesenland' geht es forsch weiter - ein Trinklied mit Heimatkolorit, lebenslustig und voller volkstümlichem Kitsch. Dies natalis lassen grüßen Nun denn... Den Abschluss bildet eine etwas dürftige Liveaufnahme.

Insgesamt haben In Scherben ein solides Folkalbum vorgelegt, dass einige Ohrwürmer aufweist und Fans von Darkwood, Sonne Hagal und Forseti wehmütige Erinnerungen bescheren wird. Erinnerungen allerdings an eine Zeit, die langsam zu verdämmern droht. Von daher eine Tonträger von fast nostalgischer Qualität...

Ivan Kostor